Der lebende Drucker – eine vom Aussterben bedrohte Art – KLUB DIALOG

Der lebende Drucker – eine vom Aussterben bedrohte Art

Die Druckindustrie – sie gehört zu den Branchen, die in den letzten 25 Jahren einem extremen Wandel unterlagen. Einem Wandel, der für die klassischen Druckereien geradezu existenzbedrohend ist. Nicht nur die Digitalisierung spielt hierbei eine zentrale Rolle, sondern auch ein Wandel der Kundenbedürfnisse und insgesamt eine erhebliche Reduzierung des Druckvolumens. Axel Neuke, Betriebsleiter bei Langenbruch Druck & Medien in Lilienthal, hat sein gesamtes Berufsleben in der Druckindustrie verbracht. Er nennt sich selbst gerne den „lebenden Drucker“ und reiste mit uns durch die letzten 45 Jahre seines Berufslebens.

Die Arbeitsabläufe haben sich komplett verändert

Axel Neuke begann seine Ausbildung zum Flachdrucker auf Anraten seines Vaters, der technischer Leiter bei einem Papiergroßhandel war. Das Aufgabengebiet war damals sehr komplex, erforderte Sorgfalt, ein geschultes Auge und viel Fingerspitzengefühl. Nach 1,5 Jahren Ausbildungszeit in der Druckvorstufe und 1,5 Jahren an den Druckmaschinen beherrschte er sein Handwerk. Er erlernte einen vermeintlich krisensicheren Job, das war zumindest die Annahme im Jahr 1974. In den folgenden 20 Jahren bestätigte sich diese Einschätzung. Es war die Blütezeit der Druckindustrie, mit gut bezahlten und sicheren Jobs. Heute sieht es leider ganz anders aus.

Welche Faktoren trugen zum Strukturwandel der Druckindustrie bei?

Ein zentraler Aspekt war die fortschreitende Digitalisierung seit Mitte der 1990er Jahre. Dazu gehörtem der zunehmende Einsatz von Laserbelichtern und die verbreitete Nutzung von Apple Macs und Software zur Bildbearbeitung.

Laserbelichter brauchten keine analogen Druckvorlagen mehr. Das führte zu einer erheblichen Reduzierung der aufwändigen und arbeitsteiligen Vorarbeiten beim Druck. Auch die Materialkosten sanken im Vergleich zur konventionellen Belichtung.

Das kostete viele Arbeitsplätze. In dem Zuge verschwand auch der Beruf des Schriftsetzers und wurde von den Mediengestaltern Digital und Print abgelöst.

Mittlerweile werden die verbleibenden Arbeiten der Druckvorstufe nicht mehr von den Druckereien, sondern von Werbeagenturen oder den Unternehmen selbst ausgeführt. Die Arbeiten zählen zu den kreativen Tätigkeiten und nicht mehr zum Handwerk. Auch wenn Druckereien diese grundsätzlich durchführen könnten – sie haben das Fachpersonal dafür – werden ihnen diese von den Kunden nicht mehr zugetraut.

Insgesamt hat sich auch das Druckvolumen drastisch verringert. Printwerbung wird heute gezielter eingesetzt. Adressen werden vorselektiert und es gibt kaum noch allgemeine Drucksachen, die in Massen produziert werden. Die Budgets für Printwerbung fallen der Internetwerbung zum Opfer.

Axel Neuke erinnert sich noch heute an seinen ersten Druck: Das bekannte Bild vom Karikaturisten Volker Ernsting, auf dem „Herr Sengstake“ mit einem Bremer Bier und Bratwurst in der Hand zu sehen ist.

Mit welchen Problemen haben die klassischen Druckereien heute zu kämpfen?

Aus Sicht von Axel Neuke stehen Druckereien vor unterschiedlichen Herausforderungen.

Druckereien haben zum Beispiel sehr hohe Betriebskosten. Das sind einerseits hohe Einkaufspreise für das Papier und andererseits extrem hohe Anschaffungskosten für die Druckmaschinen. Eine Druckmaschine mit 4 bis 5 Farben im 70 x 100 Format kostet etwa 2 Millionen Euro. Eine solche Maschine muss in drei Schichten laufen, um sich amortisieren zu können. Diese Auslastung fehlt allerdings häufig.

Auch ein Fachkräftemangel zeichnet sich ab. Die klassischen Druckereien, die wirklich noch Fachkräfte brauchen, finden kaum noch welche. Der Ausbildungsberuf des Druckers ist nicht mehr gefragt. Wer sich für diese Branche entscheidet, macht eher eine Ausbildung zum Mediengestalter – die allerdings mit klassischem Druck nichts mehr zu tun hat.

Ein weiterer und sehr zentraler Aspekt ist der Preiskampf. Die Qualität der Druckerzeugnisse in klassischen Druckereien ist durch das ausgebildete Personal und die hoch entwickelten Druckmaschinen nahezu gleich hoch. Die einzigen Möglichkeiten sich abzugrenzen liegen im Service und der Beratung und natürlich beim Preis. Die niedrigen Preise sind allerdings gefährlich, weil ein Fehldruck gleich zu einem Verlustgeschäft führt.

Und mit den Preisen der Online-Druckereien können klassische Druckereien sowieso nicht mithalten. Die haben Kunden, bei denen die Qualität nicht im Vordergrund steht.

Woher kommen die günstigen Preise der Online-Druckereien?

Axel Neuke war selber mal selbständig mit einem der ersten Online-Shops für Drucksachen. Er weiß daher, wie das Prinzip funktioniert: durch Masse und Automatisierung. Masse reduziert die Vorbereitungskosten und sichert niedrige Papiereinkaufspreise. Automatisierung braucht keine Fachkräfte und reduziert dadurch die Personalkosten.

Online-Druckereien drucken keine einzelnen Aufträge. Sie sammeln mehrere Aufträge, um einen Druckbogen komplett ausfüllen zu können. Effizienz steht im Vordergrund: Weniger Einstellungen der Maschinen und weniger Verschnitt führen zu reduzierten Kosten. Doch was fehlt, ist die Individualität und die Möglichkeit einzugreifen. Gedruckt wird nach der ISO-Skala der Grundfarben Cyan, Magenta, Yellow und Schwarzanteil für die Tiefe (CYMK). Dadurch entsteht ein genormtes Produkt. Es wird exakt nach den Werten gearbeitet, die vom Auftraggeber übermittelt werden. Die Druckdaten werden nicht mehr geprüft. Dafür ist weder das Personal vorhanden, noch ist der Arbeitsschritt im Rahmen der Automatisierung vorgesehen. Sind die Druckdaten also nicht optimal vorbereitet, und das kommt häufig vor, wenn das Fachwissen fehlt, liegt das Problem beim Auftraggeber. Das ist in einer klassischen Druckerei anders. Fachkräfte prüfen und beraten, bevor die Sachen gedruckt werden. Dies hat natürlich seinen Preis.

Wie steht es um die klassischen Druckereien?

„Ich muss ganz ehrlich sagen, bin froh, dass ich mein Alter habe“, sagt Axel Neuke mit einem bitteren Lächeln. Die Blütezeit der klassischen Druckereien ist vorbei. Das Hauptgeschäft haben die Online-Druckereien übernommen. Es sind schon sehr viele Druckereien vom Markt verschwunden und diejenigen, die sich noch halten können brauchen ein gutes Durchhaltevermögen.

Eine große Gefahr sieht Axel Neuke in der Abhängigkeit von Großkunden, die häufig reduzierte Preise durchgesetzt haben. Wenn diese wegfallen, ist die gesamte Existenz der Druckerei gefährdet. Die geringen Margen verhindern die Bildung eines finanziellen Polsters.

Die Haupt-Zielgruppe von klassischen Druckereien, die bereit ist, für ein hochwertiges Druckerzeugnis einen angemessenen Preis zu zahlen, hat sich stark verkleinert. Das sind Unternehmen oder Personen, die Druckerzeugnissen einen bestimmten Wert beimessen. Entscheidend ist also, was der Kunde mit dem Druckerzeugnis erreichen will. Durch Feinheiten und Besonderheiten zum Beispiel mit einem Wasserzeichen oder einer Prägung erzeugt man Seriosität und Exklusivität. Dafür ist eine individuelle Beratung erforderlich, wie man sie in einer klassischen Druckerei erhält. Es wäre wünschenswert, dass sich dieses Bewusstsein wieder stärker durchsetzt.

Einen weiteren Rückschlag mussten die Druckereien durch die Corona-Pandemie einstecken. Durch den Wegfall der Großveranstaltungen und Messen sind Aufträge verloren gegangen, die auch nicht mehr nachgeholt werden können. Es bleibt zu hoffen, dass die verbliebenen klassischen Druckereien es weiterhin schaffen durch Qualität und Beratung zu überzeugen!

Die Autorin

Mehr aus dem KLUB Magazin

KLUB DIALOG wird unterstützt durch

Logos Partner KLUB Dialog

Newsletter abonnieren