„Jedes Unternehmen muss über den USP nachdenken!“ – KLUB DIALOG

„Jedes Unternehmen muss über den USP nachdenken!“

Philip Maloney erklärt, warum ein eigenes Profil so entscheidend ist – und wie man sich damit abhebt

Muss man sich wirklich von allen anderen abheben, um sich am Markt zu behaupten? Unbedingt, meint Professor Philip Maloney von der Hochschule Bremen. In unserem Interview erklärt der Marketing-Experte, warum der Erfolg eines jeden Unternehmens von dessen USP abhängt und wie man aus diesem Alleinstellungsmerkmal eine Marketingstrategie entwickelt.

Professor Dr. Philipp Maloney forscht zum Thema Marketing an der Hochschule Bremen. Foto: Solveig Rixmann.

KLUB MAGAZIN: Wenn man recherchiert, was USP heißt, trifft man auf verschiedene Begriffe. Sind das unterschiedliche Dinge?

Professor Dr. Philip Maloney: Aus meiner Sicht sind es das nicht. Es ist die Abkürzung des englischen Worts unique selling proposition – oder auch unique value proposition oder unique selling point. Es geht immer um die Frage des Alleinstellungsmerkmals.

Was also ist ein USP? Und wieso ist es so wichtig, einen USP zu haben?

Maloney: Beim USP geht es um die Frage: „Welchen Grund gibt man dem Nachfrager, sich für das eigene Angebot und damit gegen die Angebote des Wettbewerbs zu entscheiden und den dafür geforderten Preis zu bezahlen?“ Am Ende kann man sogar so weit gehen, zu sagen, dass ein Unternehmen, das keinen vernünftigen Grund nennen kann, sich nicht langfristig am Markt wird behaupten können. Jedes Unternehmen muss sich über die Frage nach seinem USP Gedanken machen.

Jedes Unternehmen braucht also unbedingt einen USP. Was würde passieren, wenn es keinen USP gäbe?

Maloney: Stellen Sie sich vor, es gäbe einen Standard für das Brauen von Bier in Deutschland. Die Zusammensetzung, das Rezept, die Art und Weise wie wir Bier brauen, sind komplett identisch. Jedes Bier schmeckt gleich. Dann würde exakt die Brauerei gewinnen, die dieses gleich schmeckende Bier zum günstigsten Preis verkauft. Weil ansonsten ja alles austauschbar ist.

Ein USP ist unabhängig von der Branche notwendig?

Maloney: Ja, wenn es einen kommerziellen Hintergrund Ihrer Tätigkeit gibt, also wenn Sie auch etwas verkaufen wollen, dann müssten Sie irgendjemandem einen Grund geben, dies zu kaufen. Diesen Grund, den müssen Sie finden.

Wie identifiziert man seinen USP? Und wie kann man es weiter nutzen?

Maloney: Stellen Sie sich vor, Sie würden am Anfang ihrer Künstlerkarriere als Malerin stehen. Dann können Sie den USP auf der einen Seite durch eine ausgesprochen hohe Marktorientierung finden. Sie orientieren sich also an den Kunden und ihren Bedürfnissen. Sie würden möglicherweise zu der Erkenntnis kommen: Am Besten passt momentan zu der Nachfrage meiner Kunden abstrakte Porträtmalerei. Darauf würden Sie sich dann spezialisieren. Und das wäre dann Ihr USP. Wenn das erfolgreich wäre, birgt das die Gefahr, dass es kopiert wird. In dem Moment, wo es andere anbieten, ist es kein USP mehr, weil es nicht mehr Alleinstellung ist, es ist nicht mehr einzigartig. In Ergänzung zu dieser Außenorientierung sollte es in jedem Fall eine Innenorientierung geben.

Maloney: Sie können sich zum Beispiel die Frage stellen: Kann ich denn irgendetwas, was andere nicht können oder habe ich Zugang zu Ressourcen, zu denen andere keinen Zugang haben? Stellen Sie sich vor, Sie haben Zugang zu Farben aus Indien, die besonders leuchten und die nur Sie beziehen können. Dann könnte diese Ressource der Ursprung für eine Alleinstellung sein. Wenn ich mich nach innen richte, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich meinen USP lange verteidigen kann größer. Jetzt habe ich auch noch die Möglichkeit, dass ich über die Zeit ein bestimmtes Image aufbaue – also ein Markenbild – dass ich einen symbolischen Zusatznutzen für den Nachfrager biete, der nicht kopierbar ist.

Wie entwickle ich aus dem USP dann eine Marketingstrategie? Wie generiere ich daraus Kunden?

Maloney: Man muss Menschen zunächst einmal überzeugen. Den Zugang zu diesen einzigartigen Farben könnten Sie in der Kommunikation ausloben. Sie müssten den Menschen also erzählen, dass keine Bilder so sehr leuchten wie Ihre und, wenn man leuchtende Bilder haben möchte, dann gäbe es keinen Weg an Ihren Bildern vorbei. Und das sei der Grund, warum Ihre Bilder möglicherweise etwas teurer seien als das durchschnittliche Bild. Das Angebot muss für die Nachfrage auch relevant sein. Ich kann als Automobilhersteller der Einzige sein, der vergoldete Außenspiegel anbietet, aber wenn das keiner kaufen möchte, dann sind vergoldete Außenspiegel zwar ein Alleinstellungsmerkmal, aber nicht ökonomisch sinnvoll. Das heißt: Ein USP ist nur dann für mich nutzbar, wenn es auch eine entsprechende Nachfrage danach gibt.

Man muss an seinem USP aber auch weiter arbeiten?

Maloney: Absolut. Das muss man. Man muss sich immer wieder die Frage stellen: Geben wir unseren Nachfragern hinreichend gute Argumente, Gründe, warum sie sich für unser Angebot und gegen die Angebote des Wettbewerbs entscheiden. Gut ist auf jeden Fall, wenn Sie in ein Unternehmen gehen und jeden in diesem Unternehmen nach dem Alleinstellungsmerkmal, nach dem zentralen Nutzenversprechen fragen und immer die gleiche Antwort bekommen.

Das bedeutet, alle Mitarbeiter sollten auch hinter diesem Alleinstellungsmerkmal stehen und das mit verkörpern?

Maloney: Auf jeden Fall. Das ist ganz entscheidend. Am Ende müssen es alle mit leben und tragen. Ich nutze in der Vorlesung immer das Beispiel: Lufthansa hatte einmal den Anspruch „there‘s no better way to fly“. Viele Menschen machen die Frage, wie der Flug war, daran fest, wie der Service war, wie ihnen das Essen geschmeckt hat. So eine Kleinigkeit wie das Frühstücksbrötchen, war das vielleicht zu hart, war das Brötchen schmackhaft und genau richtig? Und wer trifft denn die Entscheidung über dieses Brötchen? Das macht ja nicht der Leiter Marketing Lufthansa oder der CEO. Das macht irgendjemand, der in der Einkaufsabteilung eine Entscheidung trifft. Und wenn diese Person diese Entscheidung nur daran festmachen würde, wo das günstigste Brötchen zu beziehen ist, dann wäre vielleicht ein halber Cent pro Brötchen eingespart, aber das Flugerlebnis wäre dramatisch verschlechtert. Möglicherweise ist das ein ganz wichtiger Kontaktpunkt, dieses Brötchen.

Das heißt, ein USP muss gar nicht immer etwas Greifbares sein, sondern...

…kann aus Sicht des Kunden etwas Emotionales, eine Empfindung sein, gegenüber dem Produkt oder der Dienstleistung?

Maloney: Absolut. Es ist immer die Wahrnehmung des Kunden, die entscheidend ist. Ein solcher symbolischer Nutzen ist natürlich auch das, was am langfristigsten verteidigt werden kann. Ein ganz tolles Beispiel dazu ist die Marke Harley Davidson. Ein Motorrad von Honda kann noch so exakt einer Harley nachempfunden sein und zudem 20.000 Euro weniger kosten, trotzdem wird man sich auf einer Honda wahrscheinlich nicht so fühlen wie auf einer Harley. Es bleibt immer eine Honda – und wird nie dieses Gefühl der Freiheit, Unabhängigkeit, dieses Rebellische haben, wofür die Marke Harley steht. Das lässt sich dann einfach nicht kopieren.

Was passiert, wenn sich ein Unternehmer seines USP nicht bewusst ist?

Maloney: Das ist insofern schwierig, weil dem Unternehmen dann die klare Ausrichtung fehlt. Air Berlin ist ein aktuelles und gutes Beispiel. Air Berlin hat sich nie klar entscheiden können, ob sie wirklich ein Billiganbieter sind, ob sie die Alternative zur Lufthansa werden wollen, ob sie eher in Richtung Urlaubsreisen oder Geschäftsreisen gehen oder ob sie eher auf Kurz- oder auf Langstrecke gehen.

Maloney: Sie waren immer so dieser Gemischtwarenladen. Wenn ich versuche, ein Angebot für alle zu schaffen, dann fehlt mir die klare Ausrichtung auf eine bestimmte Zielgruppe, der ich ein bestimmtes Angebot mache. Am Ende muss ich immer ein Angebot haben, was mich kaufbar macht, was mich vom Wettbewerb abgrenzt. Wenn ich das nicht habe, dann gebe ich den Nachfragern nicht genug Argumente, warum sie sich für mich entscheiden sollen. Und das brauche ich als Unternehmen. Und meistens ist es so, wenn mir diese Daseinsberechtigung verloren geht, dann versuche ich verschiedene Richtungen und verfalle in einen Aktionismus. Man versucht, überall so ein bisschen etwas zu machen und am Ende ist man eben immer schlechter als die, die sich auf etwas konzentrieren.

Wenn ein Unternehmen einen klaren, guten USP hat und es möchte sich erweitern, wäre es dann sinnvoller, eine neue Marke aufzubauen?

Maloney: Im Grunde genommen ist es so. Wenn es zu sehr abweicht, wenn sich auch die Vorstellung der Menschen davon, wofür die Marke steht, zu sehr in eine andere Richtung bewegen würde, dann würde man eher dahingehen, dass man eine komplett neue, separate Marke aufbaut. Das ist zum Beispiel der große Vorteil von einem Konzern wie Volkswagen. Der hat ganz unterschiedliche Marken für unterschiedliche Bedürfnisse und braucht daher die Marke Volkswagen nicht zu sehr in alle möglichen Richtungen zu dehnen. Das ist bei Mercedes anders. Mercedes hat von der A-Klasse bis zur S-Klasse die ganze Palette unter der Marke Mercedes und versucht damit verschiedene Zielgruppen anzusprechen. Das führt dazu, dass man sich eher schon einmal die Frage stellen kann: Mensch, wofür steht denn nun die Marke Mercedes ganz genau?

Sind USPs auch Trends unterworfen?

Maloney: Ich würde die Frage so beantworten, dass USPs oft sehr eng an den Produktlebenszyklus geknüpft sind. In der Einstiegsphase kann ich mich über technisch-funktionale Produktmerkmale abgrenzen. Denken Sie an die Anfänge vom iPod, MP3-Player. Mittlerweile, am Ende des Lebenszyklus, braucht kein Mensch mehr MP3-Player: Das haben wir alles im Telefon und es gibt Hunderte billigere Anbieter als Apple. Je umkämpfter, je gesättigter, je reifer ein Markt ist, desto entscheidender werden symbolische Nutzenkomponenten. Weil vom rein technisch-funktionalen Standpunkt die Angebote ohnehin relativ austauschbar sind. Da braucht es dann eher symbolische Komponenten – oder eben den Preis.

Aber man muss regelmäßig hinterfragen, ob das, was man anbietet, dem Markt noch gerecht wird?

Und regelmäßig eine Analyse im eigenen Unternehmen durchführen?

Maloney: Jedes Unternehmen sollte sich ganz regelmäßig die Frage stellen: Was passiert dort in der Welt? Gibt es Entwicklungen, die uns entgegenstehen? Haben wir auch morgen noch ein Alleinstellungsmerkmal? Was können wir tun, um es dauerhaft für uns zu sichern? Und wenn ich eine Bäckerei um die Ecke habe, muss ich auch schauen, ob es dort demnächst zehn andere Bäckereien gibt und einen dann niemand mehr braucht, weil alle woanders hingehen. Solche Fragen muss man sich stellen.

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